EuGH beschert Verbrauchern einen neuen „Widerrufsjoker“ für alte Kreditverträge

In Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit durch Corona (Covid19) und eine drohende Rezession kommt dieses Urteil des EuGH für viele Verbraucher wie gerufen!

Egal, ob Immobiliendarlehen, Autokredit oder Leasingvertrag – eine unwirksame Klausel zum Beginn der Widerrufsfrist beschert nun vielen Verbrauchern auch nach 10 Jahren eine Widerrufsmöglichkeit.

Was muss man nun wissen?

In abertausenden Kreditverträgen – ob Autokredit oder Immobilienkredit – wurde ab Juni 2010 eine standardisierte Klausel in den Widerrufsbelehrungen verwendet, welche der EuGH nun für unwirksam erklärt hat. (Urteil vom 26.03.2020, Az. C.66/19).

Normalerweise beträgt die Widerrufsfrist für derartige Kreditverträge 14 Tage. Auf diese Frist muss in der Widerrufsbelehrung hingewiesen werden und zudem muss der Beginn dieser Frist angegeben werden. Grundlage bildet eine europäische Richtlinie (EU-Kreditrichtlinie 2008/48). Entscheidend ist dabei, dass diese Belehrung für den Verbraucher verständlich gehalten ist.

Genau dieses Erfordernis – die Verständlichkeit – ist laut dem EuGH in dem Muster, das der deutsche Gesetzgeber für alle (!) Widerrufsinformationen ab dem 11. Juni 2010 zur Verfügung stellte, nicht gegeben.

Dort heißt es:

"Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat"

§ 492 Abs. 2 BGB verwiest jedoch seinerseits auf weitere Normen – sogenannter Kaskadenverweis: Dies führt dazu, dass der Beginn der Frist nicht einfach festzustellen ist, um den Beginn der Widerrufsfrist berechnen zu können.

Dadurch könne – so der EuGH – einVerbraucher "weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen, noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält". Dies widerspreche der europäischen Richtlinie für Verbraucherkreditverträge, weshalb diese Klausel unwirksam ist und folglich die Widerrufsfrist noch nicht begonnen hat.

Ein Widerruf ist somit auch heute noch möglich!

Was können Betroffene nun tun?

Mit diesem „Widerrufsjoker“ ist z.B. ein Widerruf eines Leasing- bzw. Autokredites gegen Rückerstattung aller bisher gezahlten Raten möglich.

Ein teurer Immobilienkredit zu einem hohen Zinssatz könnte in ein zinsgünstigeres Darlehn umgeschuldet werden. Alternativ könnte eine vorzeitige Ablösung des Kredits ohne Zahlung der Vollfälligkeitsgebühren möglich sein.

Hier kann bares Geld gespart werden!

Bei Immobilienverträgen gibt es jedoch noch ein weiteres Problem: Der BGH hatte die besagt Klausel in der Vergangenheit bereits als wirksam erklärt und der Gesetzgeber hat diese Klausel in die Musterwiderrufsbelehrung aufgenommen. Es bleibt somit zu prüfen, ob die aktuelle EuGH Rechtsprechung der des BGH in dieser Frage „vorgeht“.

Diese Rechtsunsicherheit stellt gleichwohl für betroffene Verbraucher eine gute Verhandlungsbasis gegenüber der Bank dar.

Hier sollte jedoch nicht ohne anwaltlichen Beistand in die Verhandlung eingestiegen werden!

Generell gilt: Handeln Sie nicht vorschnell!

Der Vertrag sollte einzelfallbezogen anwaltlich geprüft werden.

Wir beraten Sie gerne!

Wir helfen Ihnen!

Gerne nehmen wir eine kostenfreie und unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falls vor.

Als direkter Ansprechpartner stehe ich Ihnen dafür jederzeit persönlich gern zur Verfügung.


Ihr Sebastian Günnewig, Dipl.-Kfm. Dipl.-Jur.

Rechtsanwalt und Datenschutzbeauftragter (TÜV)

Stand: 20.03.2020

Redaktion

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Die Redaktion der e-commerce-Kanzlei - Günnewig Rechtsanwälte fasst für Sie aktuelle Fälle zusammen und klärt Sie über wichtige Entwicklungen in der Rechtsprechung, aber auch über aktuelle gesetzliche Änderungen und Abmahnfälle auf.

Sebastian Günnewig

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Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Dipl.-Kfm. Sebastian Günnewig ist zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV) und leitender Rechtsanwalt der e-commerce-Kanzlei - Günnewig Rechtsanwälte und berät insbesondere im Wettbewerbs-, IT- und Datenschutzrecht.